(sorry, no english version available yet)
Text: Harald Röker
Wie bereits berichtet, gab es in den Jahren 2020 und 2021 an einigen Tagen des Jahres im Allgäu und andernorts im Alpenraum erhebliche Parkplatzprobleme.
Vor allem an einigen schönen verlängerten Wochenenden und Brückentagen wie Ostern, 1. Mai, Himmelfahrt und Pfingsten waren die vorhandenen Parkplatzkapazitäten ausgereizt und ungenügend, so dass der angereiste Erholungssuchende sein Fahrzeug entlang von Straßen und auf Weideflächen abgestellt hatte.
Verstärkt hat sich das Problem, da Unterkünfte, Zeltplätze, Wohnmobilstellplätze nicht belegt oder nur mit extrem verminderter Kapazität betrieben werden durften.
Auslandsreisen waren ebenfalls nicht oder nur erschwert möglich, so dass über 80 Mio. Deutsche zu Urlaub in Deutschland gezwungen waren.
Außerdem war es wegen den geltenden Regeln untersagt, Fahrgemeinschaften zu bilden, was die Parkplatzkapazitäten in nicht unerheblichem Maße zusätzlich belastet hat.
Diese „Parkplatzüberlastung“ kam aber keineswegs überraschend, die Gemeinden im Allgäu wurden von Verbänden oder Vereinen wie z. B. der IG Klettern auf den sich abzeichnenden Besucherandrang ausreichend vorab vorgewarnt.
Mögliche Reaktionen auf den zu erwartenden Andrang wären nun gewesen:
Stattdessen wurde gar nichts unternommen.
Lediglich die Polizei wurde in Hundertschaften eingesetzt, um Parksünder abzustrafen.
Ganz normale Mitbürger, die in einer schwierigen Zeit etwas Freiheit genießen wollten und mangels anderer Möglichkeiten schlussendlich aus Verzweiflung an der einen oder anderen Stelle nicht straßenverkehrsordnungskonform geparkt hatten.
Statt den Besucher willkommen zu heißen und mit entsprechenden Maßnahmen die einmalige und großartige Möglichkeit zu nutzen, fürs Allgäu als tolle Urlaubsregion zu werben, wurde ihm wenig subtil vermittelt, hier komplett unerwünscht zu sein.
Nun gut, verpasste Gelegenheit, schade, aber das Leben spielt wie es spielt.
Hätte man nun von Seiten der Gemeinden die Situation als das gewertet, was sie war, nämlich eine absolut einmalige Ausnahmesituation in höchst schwierigen Zeiten, wäre unser doch recht beschauliches Leben hier im Allgäu geordnet weiter gegangen, wie dies vor dieser Ausnahmesituation auch war.
Aber dann haben sich die Regional- und Gemeindegremien zusammen gesetzt und beraten, wie man dem an der einen oder anderen Stelle aufgetretenen „Ordnungsproblem“ Herr werden könnte.
Das aus dem Kochbuch für Regional- und Gemeindearbeit gezogene erhoffte Erfolgsrezept heißt „Besucherlenkung“ mit dem wie es scheint wichtigsten und nahezu einzigen Unterpunkt „Parkraummanagement“.
Nach und nach hat sich nun jede einzelne Gemeinde im Allgäu daran gemacht, ihre seit Jahren vorhandenen Wanderparkplätze kostenpflichtig zu machen, oder bereits vorhandene Parkgebühren drastisch anzuheben.
In den meisten Fällen einhergehend mit dem in der Bevölkerung wenig beliebten „Digitalen Parken“, mit dem man sich offensichtlich als „modern“ präsentieren möchte. Falls die damit einhergehenden datenschutzrechtlichen Probleme gesehen werden, werden diese offensichtlich großzügig unter den Tisch gekehrt. Manche Gemeinden gehen sogar so weit, dass sie ihre gesetzliche Verpflichtung zur Annahme von Bargeld ignorieren bzw. den bargeldaffinen Menschen an einem steilen Berg 300 m (einfache Strecke!) zum nächsten Automaten verweisen.
Doch dem nicht genug. Da in den Jahren 2020 und 2021 hauptsächlich auch wegen geschlossener Campingplätze und Wohnmobilstellplätze auf vielen Parkplätzen mit Fahrzeugen übernachtet wurde, wurde als Gegenmaßnahme nahezu überall ein nächtliches Parkverbot von 22-6 h ausgewiesen.
Was an dem Prinzip nun so furchtbar schlimm ist, wenn Menschen in einer Ausnahmesituation ein wenig Freiheit suchend auf einem Parkplatz nächtigen, bleibt wohl für immer das Geheimnis der Ortsgremien.
Ist es nur der „Fremde“, der sich erdreistet, sich auf „gemeindeeigenem“ Grund auch noch nach 22 h aufzuhalten? Ist es einfache Angst vor dem „Unbekannten“?
Kleine Erinnerung zum Thema „gemeindeeigen“: Gemeinden sind lediglich Verwaltungseinheiten; da wir in einem Volksstaat leben, sind wir alle Träger der Staatsgewalt (siehe Art. 2 des Freistaats Bayern).
Selbstverständlich gibt es bei abertausenden Besuchern im Jahr auch einige schwarze Schafe, die sich nicht korrekt verhalten. Aber statt den Menschen, die sich nicht korrekt verhalten, ihre Grenzen aufzuzeigen, wird in einem Rundumschlag alles und jeder mit neuen Regelungen bestraft und das Leben in der Region an sich in unerträgliche und einengende Abgrenzungen gepresst.
Statt von einigen wenigen unverbesserlichen Zeitgenossen liegen gebliebenen Müll einfach schnell und unkompliziert einzusammeln, wird tagelang über das Problem diskutiert.
Die nächste Frage, die dann auftaucht, ist meist die, wie das denn eigentlich mit dem Sanitären aussieht?
Nun, die meisten Wohnmobile verfügen über eine Nasszelle.
Andere im Kleinbus oder im Fahrzeug Übernachtende suchen sehr oft zum Frühstück die nächste Bäckerei oder Café auf (so man denn darf), wo auch sanitäre Einrichtungen vorhanden sind.
Der verbleibende Rest ist in der Regel so „outdoorerfahren“, dass eine weit abgelegene Stelle im Wald aufgesucht wird, wo ein ausreichend tiefes Loch das „Problem“ beseitigt und bedeckt.
Wenn dann doch noch einige wenige wirklich unverbesserliche Zeitgenossen „Zeugen“ ihres Aufenthaltes hinterlassen sollten, wäre dem wiederum mit einer einfachen und kurzen Aktion mit einem Spaten Abhilfe geschaffen, statt wochenlang über Probleme zu diskutieren und dann schlussendlich mit sündhaft teuren Gegenmaßnahmen wie „Parkraummanagement“ zu reagieren, an dem sich dann oftmals noch ortsfremde Konzerne eine „goldene Nase“ zu verdienen erhoffen.
Oder falls man der Ansicht ist, dass das Problem wirklich so groß ist, dass man dieses anderweitig lösen muss, gibt es die Möglichkeit von mobilen sanitären Einheiten, im Volksmund „Dixie“ genannt.
Das Ergebnis dieses Besucherlenkungskonzepts/Parkraummanagements, das nun nach 2 Jahren hier bei uns im Allgäu vorliegt, ist folgendes:
Die Folgen davon sind:
An dieser Stelle ein kurzer Ausflug auf die rechtliche Seite.
„Der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere das Betreten von Wald und Bergweide, das Befahren der Gewässer und die Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ist jedermann gestattet. Dabei ist jedermann verpflichtet, mit Natur und Landschaft pfleglich umzugehen. Staat und Gemeinde sind berechtigt und verpflichtet, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und allenfalls durch Einschränkungen des Eigentumsrechtes freizumachen sowie Wanderwege und Erholungsparks anzulegen.“
„Jedermann hat das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur.“
„Alle Teile der freien Natur, insbesondere Wald, Bergweide, Fels, Ödungen, Brachflächen, Auen, Uferstreifen und landwirtschaftlich genutzte Flächen, können von jedermann unentgeltlich betreten werden.“
„Der Freistaat Bayern, die Bezirke, die Landkreise und die Gemeinden haben die Ausübung des Rechts nach Art. 26 zu gewährleisten und Voraussetzungen für die Rechtsausübung zu schaffen.“
In den Absätzen (2) bis (3) werden diese Pflichten näher ausgeführt:
Wenn ich mit Blick auf diese gesetzlichen Rahmenbedingungen nun mein Leben hier im Allgäu betrachte, kann ich nicht erkennen, wie hier den gesetzlichen Vorgaben noch genügt wird.
Von „unentgeltlich“ Erholung in der Natur suchen, kann zumindest seit 2020 keine Rede mehr sein.
Es mag zwar den einen oder anderen Rechtsausleger geben, der die durchgeführten Maßnahmen der Gemeinden schönreden möchte, aber Fakt ist, dass die Gemeinden dafür zu sorgen haben, dass der Bürger die Natur unentgeltlich zu Erholungszwecken aufsuchen kann (Wortlaut: … die Gemeinden haben … Voraussetzungen für die Rechtsausübung zu schaffen).
Da wir in einer Gesellschaft leben, in der das Erreichen der Orte, an denen man diese Natur nutzen kann, für die meisten Menschen (man beachte den Wortlaut „für jedermann unentgeltlich“) zumutbar nur mit dem eigenen PKW möglich ist, erstreckt sich diese Pflicht der Kommunen gemäß einem bürgerorientierten Rechtsverständnis auch auf die Schaffung angemessener Parkflächen. Nicht umsonst wurden in der Vergangenheit in Wandergebieten große kostenlose Parkflächen angelegt, um dem Bürger die Erholung in der Natur auch zu ermöglichen. Damit hat man auch die Entlastung der Ortschaften von Parkverkehr geschaffen, sodass Anwohner nicht unter erholungssuchenden Besuchern zu leiden haben.
Ein Wanderparkplatz im Grünen, wurde ausschließlich dafür angelegt, die Natur zu erleben.
Der Naturgenuss soll gemäß dem Willen des Gesetzgebers für jedermann unentgeltlich möglich sein.
Was anders ist es nun, als den Naturgenuss über eine Hintertür mit einer Gebühr zu belegen, wenn man die einzige zumutbare Möglichkeit, diese Örtlichkeit aufzusuchen, kostenpflichtig macht?
Kurzum, eine bürgerorientierte Rechtsauslegung wird unweigerlich zu dem Ergebnis gelangen, dass Parkplatzgebühren für Parkplätze in der Natur rechtswidrig sind.
Man darf also gespannt sein, wie die Gemeinden mit den sicherlich nicht ausbleibenden juristischen Fragen umgehen werden.
Ganz abgesehen von der juristischen Seite haben wir aufgrund der exorbitanten Parkplatzgebühren mittlerweile jedoch in der Region ein anderes, extrem drängendes Problem:
Im 1. Halbjahr 2022 haben wir einen dramatischen Einbruch der Besucherzahlen im Allgäu zu verzeichnen.
Ganz offensichtlich haben die Gemeinden mit den ergriffenen Maßnahmen die Akzeptanzschwelle der Besucher und Einheimischen komplett überreizt!
Der Besucher hat offensichtlich die Unverschämtheit der Gemeinden wahrgenommen und kann oder will sich die horrenden Parkgebühren nicht leisten.
Riesige Parkflächen sind über die frühjährlichen Feier- und Brückentage im Verhältnis zu vergangenen Jahren (auch vor 2020) nahezu verwaist.
Bilder von normalerweise als „Stoßtage“ zu erwartenden Traumwettertagen auch an Wochenenden und in der Ferienzeit stellvertretend von einem der größten Parkflächen des Oberallgäus bei der Fellhornbahn (über 1200 Stellplätze) beweisen eindrücklich die mehr als schwache Auslastung an diesen Tagen (Bilder dazu siehe Artikel Parkplatzgebühren - Auswirkung - Bilddokumentation).
Für viele Einheimische hat dieser Zustand bereits existenzbedrohende Züge angenommen:
Selbst Einheimische „wagen“ sich nicht mehr in Nachbargemeinden, weil man ja nie weiß, was für absurde neue Regelungen einen dort erwarten.
Seit Jahren wird in der Region versucht, einen alternativen Tourismus aufzubauen, mit Outdoorsportarten wie Gleitschirmfliegen, MTB-Trails, Klettern, Bouldern, Canyoning, Kajakfahren und vielem mehr. Viele Menschen in der Region bestreiten mittlerweile ihren Lebensunterhalt mit den Besuchern, die diese Sport- und Erholungsmöglichkeiten begeistert aufgenommen haben. Gerade aber dieses meist etwas jüngere Publikum hat der Region nun nahezu komplett den Rücken gekehrt. Anstrengungen von Jahrzehnten wurden von wenig vorausschauenden Gemeinden in einer einzigen Saison ad absurdum geführt, bildlich gesprochen: der Zukunft wurde ein Tritt in den Hintern verpasst!
Die nun meist sehr schwach belegten gebührenpflichtigen Parkplätze sind jetzt für die Gemeinden zusätzlich zu einer Kostenfalle geworden.
Auf großen Parkflächen wie bei der Fellhornbahn mag sich der Einsatz der Technik und Überwachung noch rechnen, aber kleinere Parkplätze, die nun – wenn überhaupt – nur noch an ganz wenigen Tagen des Jahres auch nur ansatzweise belegt sind, können die immensen Kosten für die Infrastruktur in der Regel nicht einmal ansatzweise einspielen (oftmals Umgestaltung der seither einfachen Parkflächen, Stromanschluss, Anschaffung von Parkautomaten (Größenordnung 7-12.000 EUR pro Gerät), Verträge und Personalkosten für Parkraumüberwachung, kostenintensive Maßnahmen zur Vermeidung von Parkausweichverhalten (z. B. Anbringung einer immensen Anzahl von Parkverbotsschildern)).
Den Gemeinden stehen nun also durch das Ausbleiben von Tagesgästen und damit einhergehenden erheblichen Umsatzeinbußen vieler örtlicher Geschäftsleute Einbußen auf Seiten der Gewerbesteuer in beträchtlichem Umfang ins Haus.
Diese Einbußen werden durch die direkten Einnahmen an Parkgebühren wohl nur schwerlich zu kompensieren sein. Im Gegenteil, diese Parkplätze sind oft zu zusätzlichen Kostenfallen für die Gemeinden geworden.
Das seit Jahrzehnten brillant funktionierende System, dass die Gemeinden über örtliche Unternehmer und die von diesen gezahlten Gewerbebesteuern vom Tourismus in der Region profitieren, wird wegen kurzfristig gedachten erhofften „Direkteinnahmen“ über Parkgebühren ins Wanken gebracht. Statt für die zu unternehmerischen Tätigkeiten motivierten Menschen in der Region die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese ihren Lebensunterhalt im Tourismusbereich eigenständig bestreiten können, werden diese Rahmenbedingungen aktuell an allen Ecken und Enden in unverantwortlicher Weise zerstört, so dass viele Menschen in der Region um ihren Job und ihre Existenz fürchten müssen.
Ganz abgesehen davon, dass es schlicht und einfach unerträglich ist, in einer derart eingeengten Region leben zu müssen und (eigentlich völlig ohne irgendwelche Notwendigkeit!) jeglicher der kleinen seither noch existierenden Freiheiten beraubt zu werden!
Unser deutlicher Appell an die Gemeinden, die Kreis- und Regionalverwaltung für die Wiederherstellung zukunftsorientierter Rahmenbedingungen in der Region lautet daher:
Harald Röker ist Autor der Sportkletter- und Boulderführer fürs Allgäu,
Mitinhaber eines Immenstädter Verlags für Outdoor-Führerliteratur
und engagiertes Mitglied in der IG Klettern und Bergsport Allgäu
Weitere Artikel zum Thema Parken im Allgäu:
© by GEBRO Verlag, alle Rechte, auch auszugsweise, liegen beim GEBRO Verlag.