(sorry, no english version available yet)
Text: Harald Röker
„Das Skifahren und Wandern in Deutschland bietet den Vorteil, dass keine Mautgebühren auf dem Weg nach Oberstdorf oder in das Kleinwalsertal anfallen. Über (die) A7 und anschließend über die ausgebaute B19 erreichst Du uns aus dem Süden Deutschlands schnell und kostengünstig“.
Wie zum Hohn lesen sich diese werbenden Sätze zum Thema „Anreise mit dem PKW – Mautfreie Anreise“ auf den Internetseiten der Oberstdorf-Kleinwalsertal-Bergbahnen.
Einerseits wirbt man mit mautfreier, kostengünstiger Anreise, diese „kostengünstige Anreise“ wird dann allerdings sofort nach Ankunft über eine Art „Vorauskasse-Wandern“-System mehr als kompensiert, denn das Parken an allen OK-Bergbahnen kostet seit dem Frühjahr 2021 satte 9,-- (Folgetage + 4,-- ). Zum Vergleich: Eine 10-Tagesvignette 2021 für die Autobahnen Österreichs kostet 9,50 , also gerade mal 50 ct mehr.
Nun ja, einmal im Jahr kann man sich ja trotzdem etwas Besonderes leisten und so starte ich Freitag Nachmittag von der Immenstädter Bergstätte per PKW wohlgemut mit meinen 30 kg Gepäck für ein 2-tägiges alpines Unternehmen Richtung Fellhornbahn Parkplatz, dem Ausgangspunkt für meinen 3-stündigen Anmarsch.
Bereits über die vergangenen Wochen habe ich vorsorglich Münzen in größerem Stil gehortet und begebe mich nach Ankunft mit meinem prall gefüllten Münzsäckel wie von den letzten Jahren gewohnt zum nächstgelegenen Parkscheinautomaten. Meine Überraschung ist dann nicht gering, als ich feststelle, dass hier seit Neuestem nur Kartenzahlung möglich ist. Ein leicht hektischer Blick zum daneben gelegenen Automaten zeigt das selbe Schild: Nur Kartenzahlung möglich! Ebenso ein Automat weiter! Mannomann denke ich, in was für einer Welt müssen wir uns eigentlich so langsam zurecht finden!? Meine Eltern wären spätestens jetzt hoffnungslos verloren und bestenfalls in einer leicht panischen Gemütsverfassung auf der Suche nach Hilfe.
Nun gut, glücklicherweise habe ich eine Karte mit dabei, was auf einer derartigen alpinen Unternehmung eher eine glückliche Ausnahme ist. Also wackle ich wieder zu meinem Auto zurück, packe mein sorgfältig gepacktes Lastenbündel wieder auseinander und wühle nach der Karte.
Wieder zurück am Automat folge ich hochkonzentriert der Tochscreen-Menüführung. Nach diversen Auswahlseiten gelange ich schließlich auf eine Seite, auf der 2 Möglichkeiten anzeigt werde, unter anderem auch die, eines von mir gewünschten Mehrtagestickets. Allerdings akzeptiert das Gerät nun keine Auswahl mehr. Leicht nervös tippe ich mehrmals auf die gewünschte Option, der Automat verhält sich meinen Wünschen gegenüber jedoch höchst gleichgültig. Zu meiner steigenden Nervosität gesellt sich langsam leichter Ärger über moderne Technik, der sich in einem verhaltenen Gegrummel meinerseits Luft verschafft.
Glücklicherweise ist es schon später Nachmittag und lediglich ein weiterer Parkwilliger reiht sich hinter mir ein. Also wenigstens von der Seite kein allzu großer Zeitdruck, der sicherlich an einem schönen Samstagmorgen spätestens jetzt zu einer deutlich unangenehmen Nervosität führen würde.
Da es nicht weiter geht, drücke ich schließlich die „Zurück“-Taste und gelange zur vorigen Auswahl. Dort gebe ich nochmals den selben Wunsch wie zuvor an und siehe da: Diesmal kann ich ein Mehrtagesticket wählen. Was bitte war jetzt das??? Gleich bei der Erstbenutzung in einem Programm-Bug der Benutzeroberfläche gelandet? Egal, ich verschwende keine weiteren Gedanken darauf und folge weiter den Anweisungen auf dem Gerätebildschirm. Nach Auswahl der gewünschten Parkdauer werde ich dann endlich zur Eingabe meiner Karte aufgefordert. Hmmmm, meine Augen schweifen suchend über das Gerät und zu den üblichen Stellen für Kartenschlitze, nochmals, nochmals, …. und nochmals. Kann das sein? Kein Kartenschlitz? Ich trete etwas zurück, schaue nochmals, wieder kein Erkennen.... bücke mich und – Hurra! - Da ist er ja! Angebracht innerhalb einer mittig gelegenen, nach innen gerichteten Einbuchtung des Automaten und darin ganz oben, also direkt unter einem "Überhang". Im Stehen selbst von mir mit etwas unter 1,70 m Körpergröße nicht zu erkennen. Ja wer konstruiert denn so etwas???
Erleichtert schiebe ich meine Karte in den Aufnahmeschlitz und warte auf weitere Anweisungen. Und warte... und warte. Vergeblich. Üblicherweise erfolgt ja nun die Eingabe der Geheimzahl, was ich dann einfach probiere. Nichts tut sich. Seltsam denke ich. Ein nochmaliger Blick auf das obige Touchscreen-Eingabefeld lässt mich eine graue Schaltfläche erkennen, die mit „Bestätigen“ beschriftet ist. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass es einen Entwickler von Parkscheinautomaten-Benutzeroberflächen gibt, der nun von mir möchte, dass ich bestätige, meine Karte eingeführt zu haben??? Tatsächlich! Das Gerät erkennt nicht automatisch, dass die Karte eingesteckt wurde, sondern erwartet allen ernstes von mir eine Bestätigung dieses Vorgangs. Nun ja, ein beherztes Tippen und weiter geht’s im Text. Nach diesmal erfolgreicher Eingabe der Geheimzahl stellt mir das Gerät nun die absonderliche Auswahl „Giropay oder V-Pay“ zur Verfügung. Hmmmmmm, meine Karte steckt leider gerade im Gerät, nachschauen, was das gute Stück alles kann, geht also leider nicht. Auf gut Glück wähle ich einfach mal „Giropay“ und werde wirklich und ernsthaft mit der Ausgabe des gewünschten Parktickets belohnt. Ich bin glücklich! Glücklich begebe ich mich Richtung Auto, als mir noch im Hinterkopf der Gedanke kommt, irgendwas war doch noch.... Ah! Karte! Meine Karte steckt glaube ich noch im Schlitz! Denn das Gerät hat mich nach dem Bezahlvorgang nicht wie jeder andere Kartenautomat weltweit dazu aufgefordert, mein kostbares Plastik wieder an mich zu nehmen. Na was solls, mein Stresslevel war wenigstens noch so niedrig, dass ich mich selbständig daran erinnern konnte.
Nach Einsammeln meiner Karte kann’s nun endlich losgehen - geschätzt höchstens 10 Minuten Zeit hat mich die ganze Prozedur gekostet - erleichtert packe ich wieder mein Marschgepäck in die gewünschte Form.
Dabei beobachte ich mit einem Auge neugierig, wie sich der ältere Herr – offensichtlich ein Urlaubsgast – nach mir mit dem Automaten beschäftigt. Nach einigen Minuten bin ich dann abmarschbereit und hoffe, in der ganzen Aufregung jetzt nichts Wichtiges vergessen zu haben.
Der Herr steht immer noch vor dem Automaten ...
Da ich ein hilfsbereiter Mensch und der Meinung bin, Gäste sollten bei uns das Gefühl haben, willkommen zu sein, gehe ich hin und frage, ob ich helfen kann.
Er habe eine Gästekarte, meint er (meine „Einheimischen-Gedanken“ zu Gästekarte-Parken dränge ich erfolgreich zurück), und sollte normalerweise durch Hinhalten ans Gerät einen kostenlosen Parkschein erhalten. Er demonstriert mir die ganze Sache nochmals, wählt die Option „Parken mit Gästekarte“ aus und wird nun aufgefordert, seine Karte ans Lesegerät zu halten....
Doch was ist nun das Lesegerät???
Ist dieses irgendwo ins Eingabedisplay integriert? Ist es das kleine schwarze Rechteck etwas tiefer? Der ahnungslose Benutzer kann es schlicht und einfach nicht wissen. Der Herr hält seine Karte an beide Stellen, leider ohne Erfolg.
Möglicherweise, meine ich zu ihm, müsse er vorher die „Bestätigen“-Taste drücken, die ominöserweise auch bei diesem Vorgang auftaucht. Er probiert es nochmals, hält die Karte ans Gerät, allerdings bricht das nun kreiselnde Warten-Symbol immer wieder ab.
Ich versuch ihn noch zur Kombination Drücken der „Bestätigen-Taste“ und blitzschnelles Halten an das untere Rechteck zu bewegen, aber er winkt entnervt ab und begibt sich zum nächsten Automaten, vielleicht würde es ja dort funktionieren, meint er. Beim Weggehen noch ein mehr als sarkastisches „Na-Wundervoll“ auf den Lippen …
Diese modernen Automaten sind offensichtlich ganz eindeutig ein weiterer wichtiger Schritt, das Willkommens-Wohlfühl-Gefühl der Gäste im Allgäu zu fördern, ob mit oder ohne Gästekarte ...
Ich mache mich jetzt endlich zu meinem 2-tägigen Alpinerlebnis auf den Weg, für das ich nun, obwohl weniger als 48h Parkdauer anfallen, seltsamerweise 3 volle Tage bezahlen musste.
Als ich dann Sonntag Mittag völlig erschöpft aber erfüllt von meinen Bergerlebnissen wieder auf dem Parkplatz ankomme, überlege ich kurz, noch auf ein Getränk in eine der dortigen Gaststätten zu huschen, doch beim Gedanken an meine bezahlten 17 EUR Parkplatzgebühr verwerfe ich diese Überlegung schnell. Die halbstündige Heimfahrt schaffe ich auch noch so und labe mich dann lieber zuhause an den dort vorrätigen Leckereien.
Beim Heimfahren überlege ich mir dann noch, dass ich mich beim nächsten derartigen Ausflug lieber von Freunden nach hinten fahren lasse. Das ist dann zwar der doppelte Autoverkehr, aber bei den Parkplatz-Preisen gepaart mit dem komplizierten und zeitaufwändigen Vorgang, ein Ticket zu erstehen, ist mir das dann entgegen meinen sonstigen Prinzipien, so wenig Kilometer wie möglich zu fahren, herzlich egal!
Denn eine vernünftige Alternative, einen etwas außerhalb gelegenen kostenlosen größeren Parkplatz, von dem aus man mit dem Fahrrad in die Oberstdorfer Seitentäler fahren könnte, gibt es ja auch nicht. Zumindest nichts, was die ca. 1200 Stellplätze bei der Fellhornbahn auch nur annähernd entlasten könnte.
So sieht „moderne Besucherlenkung“ aus im Jahre 2021 im neuen „Vorauskasse-Wanderparadies“ Allgäu“ ...
PS:
Beim Wegfahren fiel mir (nun ohne erhöhten Stresslevel) übrigens noch auf, dass in etwa jeder vierte Parkautomat doch noch Münzzahlung akzeptiert.
Weitere Artikel zum Thema Parken im Allgäu:
Harald Röker ist Autor der Sportkletter- und Boulderführer fürs Allgäu,
Mitinhaber eines Immenstädter Verlags für Outdoor-Führerliteratur
und engagiertes Mitglied in der IG Klettern und Bergsport Allgäu
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