(sorry, no english version available yet)
Text: Harald Röker
Die Liebe zum Klettern hat mich hierher gezogen, die Liebe zum wundervollen Allgäu hat mich hier festgehalten. Seit nunmehr fast 20 Jahren. Meinen gut bezahlten Ingenieursjob habe ich aufgegeben, denn meine wahre Leidenschaft gilt dem Leben in den Bergen und dem Natursport, beseelt vom Drang, Neues zu erleben und zu entdecken. Daher auch meine Liebe zu unserer Allgäuer Heimat. Wir haben einfach alle Spielarten für Natur-Erleben quasi direkt vor der Haustüre: Wandern, Radfahren, Skitouren, Langlaufen, Schneeschuhwandern, Klettern, Bouldern, Gleitschirmfliegen, Stand Up Paddling, Badeseen und noch viel mehr. Alle Facetten der klassischen und modernen Outdoor-Erlebnismöglichkeiten sind bei uns geboten. So verwundert es nicht, dass sich mein Leben an nahezu 200 Tagen im Jahr im Freien abspielt. Wie übrigens auch bei vielen meiner Freunde und Bekannten hier im Allgäu.
Seit Kurzem fällt nun ein tiefdunkler Schatten über all dies: Gebührenwahnsinn am Parkplatz.
Die von unseren Steuergeldern finanzierten Parkmöglichkeiten werden nun plötzlich „bewirtschaftet“. Fast jede einzelne Gemeinde fühlt sich bemüßigt, für seit Jahrzehnte bestehende Parkplätze Gebühren einzuführen. Und was für welche! Selten wird hier noch längeres Parken unter 5 EUR ermöglicht, für manche Parkplätze fallen bereits jetzt 10 EUR Parkgebühr an.
Bild: Parkautomat in Hinterstein (Stand Mai 2021)
Viele seither ideal gelegene Parkplätze für „Parken und Mitnehmen“, um gemeinsam zum weiter in den Bergen gelegenen Ziel zu fahren, werden somit völlig unattraktiv. Jüngstes Beispiel: Großer Parkplatz am Waldrand am Abzweig von der B 19 nach Tiefenberg (Gemeindegebiet Ofterschwang). Die einfachste Form des Umweltschutzes, nämlich das Einsparen von Kilometern durch gemeinsame KFZ-Nutzung, wird durch solche Maßnahmen nahezu unmöglich. Auch der Treffpunkt von Kollegen für gemeinsame Fahrten zum Arbeitsplatz wird damit mehr oder weniger unbezahlbar.
Sollte dieser Gebührenwahnsinn weiter um sich greifen, ist dies ein herber Schlag ins Gesicht für alle, die durch das Bilden von Fahrgemeinschaften freiwillig einen aktiven Beitrag für den Umweltschutz geleistet haben.
Eine haarsträubende Neuerung gibt es seit diesem Sommer an den Bergbahnen Oberstdorf/Kleinwalsertal mit einer teils drastischen Anhebung der Parkgebühren, im Falle z. B. der Fellhornbahn um sage und schreibe 450% auf sagenhafte 9 EUR. Die seither bestehende Möglichkeit des Erwerbs eines erschwinglichen Jahrestickets wurde in diesem Zuge aus Gründen der Vereinheitlichung des Bezahlvorgangs und der Einführung neuer Technologien abgeschafft. |
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Seiher kostenfreier Parkstreifen zum Alpenblick Seit 2021 ist dies Geschichte |
Wahrlich eine sehr fortschrittliche technologische Entwicklung! Ein doppeltes „Hurra“ auf Park-Apps, deren Einführung offensichtlich nicht nur drastisch erhöhte Parkgebühren zur Folge hat, sondern ganz nebenbei auch eine lückenlose Nachverfolgbarkeit ermöglicht, wer wann und wo geparkt hat! An Parkplätzen mit ausschließlicher App-Bezahlung wird der Bürger darüber hinaus erstens dazu gezwungen, ein Smartphone zu besitzen sowie dieses stets mit sich zu führen und zweitens dieses auch mit Park-Apps für die Gebührenabwicklung zu versehen, ein höchst zweifelhaftes Vergnügen.
Durch hohe Parkplatzgebühren löst man in keinster Weise die durch den aktuellen Besucheransturm entstehenden Probleme. Man trifft auch nicht wie kommuniziert primär den von außerhalb des Allgäus anreisenden – und, man muss schon fast sagen, von manchen Gemeinden offensichtlich als lästig empfundenen – „Tagesgast“. Auch wenn diese exorbitanten Parkplatzgebühren sehr wohl auch vom „Tagesgast“ registriert werden (und zwar in der Regel als „unverschämt“), können die allermeisten diese Kosten bei einigen Ausflügen pro Jahr ins Allgäu sicherlich verschmerzen. Welchen Imageschaden dies allerdings langfristig – auch bei potenziellen Urlaubsgästen – anrichtet, kann man nur vermuten. |
Interessant sind die 600 m (hin und zurück) Laufstrecke an einem sehr steilen Wegstück für ein Parkticket. Ob dies noch unter "zumutbar" fällt, wie vom Gesetzgeber gefordert, darf durchaus bezweifelt werden. |
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Parkplatz "Aud dem Ried", Burgberg |
Nein, primär trifft man mit diesen Gebühren uns Einheimische! Wer nicht in der entsprechenden Gemeinde wohnt und Anspruch auf den Erwerb eines günstigen Jahrestickets hat, der schaut in die sprichwörtliche Röhre. Bei 200 Tagen Aufenthalt im Freien, wobei bei Ortswechseln untertags oft auch 2 Parkplätze in Anspruch genommen werden müssen, sind dies jährliche Kosten von 1000-2000 EUR, die auf den einheimischen Naturliebhaber zukommen.
Wenn man z. B. morgens zum Klettern nach Hinterstein möchte, fallen 10 EUR an; dann Nachmittags noch eine Wanderung aufs Burgberger Hörnle, bedeutet seit Neuestem 6 EUR Gebühr; wer dann noch am Abend ein paar Stündchen an einen Badesee liegen möchte, bleibt am Ende des Tages auf 20 EUR Parkplatzgebühr sitzen. Das Gassigehen mit dem Hund an einem schönen Plätzchen kostet dann selbstverständlich noch extra. Parkautomat am Parkplatz "Auf dem Ried". Abends mal schnell aufs Burgberger Hörnle, für viele Allgäuer beliebte Feierabendzeremonie, ist jetzt ein absolutes Luxusgut geworden. |
Auch "Gassigehen" nur noch mit Parkschein. |
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Diese Entwicklung erfüllt mich ganz ehrlich gesagt mit Grauen, mit Unverständnis, mit Sorge und mit einer gehörigen Portion Frustration. Eine jährliche Mehrbelastung von 2000 EUR bedeutet für viele im Allgäu wohnende Menschen das Aus für ihre geliebten Naturerlebnisse. Immerhin liegt man hier in einer Größenordnung von 4 zusätzlichen Monatsmieten einer Wohnung oder 50 Monatsmieten einer Garage!
Die Gedankenreisen, die in Gemeindegremien zu solchen Entscheidungsfindungen führen, sind für mich nicht nachvollziehbar. Aber wie mein persönliches Motto schon seit einiger Zeit lautet: Man muss nicht alles verstehen. Und Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten. Immerhin ergibt sich für die Tourismusverantwortlichen in Gemeinden, die diesen Gebührenwahnsinn nicht mitmachen, ein exzellentes Marketinginstrument: „Tagesgäste willkommen“ und „Gebührenfreies Parken“. Solche Gemeinden werden dann in Zukunft sicherlich vom „Tagesgast“ dann auch gerne dadurch unterstützt, dass der Besucher abends noch auf ein Getränk oder zum Essen bleibt – oder dafür vielleicht sogar extra dorthin fährt – und auch den Einzelhandel solcher besucherfreundlichen Kommunen besonders unterstützt.
Eigentlich war unsere Welt gefühlt bis vor wenigen Jahren noch auf einem wundervollen Weg der Weiterentwicklung. Europa wuchs stetig zusammen, ich selbst habe mich seit vielen Jahren als Europäer gesehen. Im Frühjahr 2020 wurde ich dann buchstäblich in meine deutschen Grenzen verwiesen; Europa nur auf dem Papier und nichts als Makulatur. Aber selbst meine Identität als Deutscher Staatsbürger wurde komplett erschüttert, denn offensichtlich ist man als Bayerischer „Untertan“ anderen Rechten und Pflichten ausgesetzt, als der „profane“ Restdeutsche. Nun gut, immerhin konnte ich mich noch als Allgäuer fühlen, doch nun halten mit der aktuellen Entwicklung mittelalterliche Methoden Einzug, als jeder Kleinfürst Wegezoll von Jedem verlangen konnte. Eigentlich hatte ich gedacht, dass diese Zeiten ein für alle Mal passé seien, doch weit gefehlt. Meine gefühlte Identität als Allgäuer wird gerade ebenfalls pulverisiert, denn als Immenstädter Einwohner bin ich in Burgberg oder Blaichach ein offensichtlich „Unerwünschter Tagesgast“. Wohin soll das alles führen? Kann man sich bald nur noch in seinem eigenen Dorf frei bewegen, ohne schief angeschaut zu werden?
Besonders frustriert mich persönlich diese ganze Entwicklung, da ich als auf breiter Basis engagierter Kletterer mein ganzes Leben freiwillig der Entwicklung der Region gewidmet habe; immer wieder auch bei unentgeltlicher Teilnahme an Sitzungen und Gesprächen mit „offiziellen“ Stellen: Gemeinden, Tourismusbeauftragten, beim Landratsamt oder auch bei der Mitarbeit bei Perspektivenkonferenzen der Regionalentwicklung Allgäu.
Als leidenschaftlicher Kletterer habe ich keine Mühen und Kosten gescheut, das Allgäu, das traditionell eine Bergsport- und Kletterregion ist, weiter zu entwickeln. Dank des Einsatzes vieler freiwilliger Enthusiasten ist das Allgäu heutzutage eine der attraktivsten Kletter- und Boulderregionen Deutschlands und zieht jährlich viele tausende Bergsport-Urlauber an, von denen die ganze Region in normalen Jahren durch Übernachtungsbuchungen, sonstige Gastronomie sowie den Einzel- und Lebensmittelhandel immens profitiert (auch in Form von Steuereinnahmen für die Gemeinden, von denen der Unterhalt von einfachen Parkmöglichkeiten problemlos finanzierbar sein sollte, wie dies in der Vergangenheit ja auch war).
Möglich wurde dies ausschließlich durch den Einsatz dieser bereits genannten Enthusiasten. Immer wieder werden Klettermöglichkeiten sicherer gemacht und modernisiert, um für die Zukunft erhalten zu bleiben. Dies geschieht nahezu ausschließlich durch den Einsatz privater Mittel und Arbeitszeit in Höhe von vielen tausend EUR sowie vielen hundert Arbeitsstunden jährlich. Auch ich bin einer diese Enthusiasten und habe diesen immensen Einsatz für die Allgemeinheit stets als erfüllend empfunden und sehr gerne gemacht. Wenn dieses „Geschenk“ an die Region, diese freiwillig geleistete Wertschöpfung für das Allgäu in 5stelliger bis in manchen Jahren 6stelliger Höhe jährlich nun jedoch so gedankt wird, dass man für die weitere Ausübung jährlich 2000 EUR oder mehr an Parkplatzgebühren bezahlen muss, dann kann man eine tiefe Frustration bei allen, die ein großes persönliches Engagement für die Regionalentwicklung gezeigt haben – seien es engagierte Kletterer oder Protagonisten anderer Outdoor-Erlebnisarten – sicherlich nachvollziehen.
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Nachtparkverbote heißen im Klartext, dass auch eine Nachtwanderung oder ein Hüttenaufenthalt von diesen Parkplätzen aus unmöglich geworden ist. |
Wenn sich in Zukunft Erholung suchende Sportler angesichts zügellos hoher Parkplatzgebühren – verständlicherweise – anderen, besucherfreundlicheren Gegenden zuwenden werden, wird all jenen, die hier im Allgäu mit diesen Gästen ihren Lebensunterhalt verdienen, der Boden unter den Füßen weggezogen und die Region damit nachhaltig wirtschaftlich geschwächt!
Dass solche Maßnahmen dazu ausgerechnet in einer Zeit umgesetzt werden, in der sowieso schon viele Menschen erheblichen emotionalen und finanziellen Belastungen ausgesetzt sind, zeugt im besten Fall von erheblich mangelndem Fingerspitzengefühl der verantwortlichen Stellen. Den durch Kurzarbeit, Jobunsicherheit oder sogar durch totalen Verdienstausfall gebeutelten Mitbürgern in dieser Situation auch noch ihre oft letzte Freude – das Naturerlebnis – buchstäblich zu vermiesen, sollte eigentlich die Verantwortlichen in den entsprechenden Gemeinden vor Scham tief erröten lassen.
Wir dürfen niemals vergessen: wir alle hier leben hauptsächlich vom Tourismus. Die Attraktivität des Allgäus durch kurzfristig gedachte überhöhte Parkgebühren zu gefährden, halte ich für eine brandgefährliche Denkweise, die darüber hinaus das Erleben unserer eigenen Heimat für viele finanziell unmöglich macht und damit die Lebensqualität für uns Einheimische drastisch vermindert. |
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Entwicklung einiger Tages-Parkgebühren im Allgäu (in EUR)
Bedeutung, beispielhaft für den Kletter- und Bouldersport: Seit 2021 sind über 80% der Bouldermöglichkeiten im Oberallgäu nur noch von einem kostenpflichtigen Parkplatz aus zu erreichen. Von den ca. 1500 Sportkletterrouten an 55 Gebieten im Oberallgäu/Kleinwalsertal verbleiben lediglich noch 8 Gebiete von allgemeinem Interesse, die (bis auf weiteres) noch von einem gebührenfreien öffentlichen Parkplatz aus erreicht werden können. An diesen 8 Gebieten befinden sich 380 Routen (nur noch ca. ein Viertel der Gesamtrouten). Durch den nun dort zu erwartenden erhöhten Besucherandrang sind Probleme und weitere Einschränkungen vorprogrammiert. |
Harald Röker ist Autor der Sportkletter- und Boulderführer fürs Allgäu,
Mitinhaber eines Immenstädter Verlags für Outdoor-Führerliteratur
und engagiertes Mitglied in der IG Klettern und Bergsport Allgäu
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